Elektrisches Prüfen langer Kabel

Testen langer Kabel mit dem CableEye System

Elektrisches Prüfen langer Kabel

Gleichzeitige Multipoint-Durchgangsprüfung eines mehrere km langen Multicore-Kabels (klassifiziert mit 10 Ω/300 m) mit einem CableEye M3UH-Tester

Kupferkabel spielen in allen Bereichen moderner Technik eine große Rolle. Trotz zunehmender Bedeutung der WLAN- und Glasfaser-Technik in der Datenkommunikation werden Kupferkabel auch weiterhin ihre Berechtigung behalten und zum Beispiel eingesetzt, um Strom zu liefern, mit größerer Leistung zu steuern oder Signaldaten kostengünstig zu übertragen. Solange die Industrie für solche Anwendungen Kupferkabel einsetzt, müssen diese auch geprüft werden, um eine einwandfreie Funktion und die Einhaltung der Qualitätsstandards zu gewährleisten. Eine wichtige Rolle spielt dabei in vielen Fällen nicht nur die Prüfung der Kabel zur Qualitätssicherung in deren Produktion, sondern auch der spätere Test vor Ort während der gesamten Lebensdauer. Ein anschauliches Beispiel sind Audio- und Steuer-Kabel (Licht, Bühnensteuerung) in der Großveranstaltungs-Technik, die vor jedem Einsatz geprüft werden müssen, um einen Ausfall während der Veranstaltung zu vermeiden. Denn fehlerhafte Kabel können in vielen Bereichen zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten oder sogar Gefahren für Menschen und Geräte führen. Das Prüfen von längeren Elektronik-Kabeln, also mit mehreren 100 Metern bis zu Kilometern, stellt dabei sehr anspruchsvolle Anforderungen an Testausrüstung, Testverfahren und den Bediener. Um auch hier genaue Testdaten zu erhalten, ohne dass die Ausrüstung beschädigt wird oder Sicherheitsrisiken für den Bediener entstehen, sind einige Dinge zu beachten. Dieser Artikel konzentriert sich auf diese Aufgabenstellung.

Wie unterscheiden sich aus technischer Sicht lange Kabel von kurzen?

Die Kapazität C (messbar mit dem ▸CableEye M4) macht den Unterschied. Zwei oder mehr isolierte Leiter, die in ein Kabel eingebunden sind, entwickeln eine Kapazität zwischen den Leitern. Dieser natürliche, unvermeidbare Effekt ergibt sich aus der Nähe von Leitern, die nur durch eine dünne Isolationsschicht getrennt sind. Ein elektrisches Feld entwickelt sich zwischen diesen parallelen Leitern in etwa so, wie es zwischen den Platten eines Kondensators geschieht. Im Fall des Kabels entsprechen die „Kondensator-Platten“ den langen, schmalen Kupferdrähten. Die Kapazität nimmt mit der Kabellänge, der Verdrillung der Drähte und dem Vorhandensein einer Abschirmung um die Leiter zu.

Kabel-Kapazität schematisch

Bild 1: Schematische Darstellung der Kabel-Kapazität

Ein qualitativ hochwertiges Twisted-Pair Ethernet-Kabel hat zum Beispiel eine Kapazität von etwa 17 pF pro ca. 30 cm (1 Fuß). Die Induktivität spielt im Vergleich zur Kapazität nur eine geringe Rolle bei der Signalübertragung über ein langes Kabel (wegen des Fehlens eines Eisenkerns oder eines anderen Materials, das den magnetischen Fluss in unmittelbarer Nähe des Kabels konzentriert).

Wie wirkt sich die Erhöhung der Kapazität auf die Widerstandsmessung des Drahtes aus?

Die Datenerfassung des Drahtwiderstands erfolgt typischerweise durch Anlegen kurzer Gleichstromimpulse. Die Ausgangsimpedanz des Treibers in Kombination mit der „natürlichen“ Kabelkapazität erzeugt einen parasitären Tiefpassfilter, der bei ausreichend hoher Kabelkapazität den Messimpuls drastisch verzerrt und Fehler verursacht.

Die Messungen des Leitungswiderstands erfolgen üblicherweise mit einer niedrigen, festen Spannung (typischerweise +10 V). Es besteht dabei kaum eine Möglichkeit, die Spannung zu erhöhen oder die Ausgangsimpedanz zu senken, um die Kabelkapazität schneller aufzuladen. Der Impuls kann jedoch leicht verlängert werden, damit ausreichend Zeit bleibt, bis die Prüfspannung des Impulses erreicht ist, bevor die Messung an der abfallenden Flanke erfasst wird.

Durch Impedanz und Kapazität verzerrter Test-Impuls

Abb. 2: Durch Ausgangsimpedanz und „natürliche“ Kabelkapazität verzerrte Testimpulse (Impulse 2 und 3) können zu Fehlfunktionen führen (Impuls 3), wenn der Prüfimpuls nicht eingestellt wird (Impuls 4).

Die ganze Sache wird natürlich komplexer, wenn drei oder mehr Leiter parallel durch ein Kabel geführt werden. Insbesondere, wenn noch dazu eine umgebende Metallabschirmung vorhanden ist. In diesem Fall kann die Kapazität zwischen einem zu messenden Draht und dem ihn umgebenden „Kupferwald“ viel größer sein, was den oben beschriebenen Effekt verstärkt.

Querschnitt 5-adriges Kabel

Abb. 3: Querschnitt durch ein 5-adriges Kabel mit Schirm. Visualisierung der parasitären Kapazität in einem mehradrigen Kabel.

Um das Problem einer guten Messung des Drahtwiderstandes bei hoher Kapazität zu lösen, wird also einfach länger auf das Ergebnis gewartet. Bei Kabeln, die über 3 m lang sind, wird die Impulsdauer (Verweilzeit) so weit wie nötig erhöht, um vernünftige Daten zu erhalten. Dauert zum Beispiel die Widerstandsmessung von 64 einzelnen Leitern in einem ca. 60 cm langen Mehrleiterkabel mit einem CableEye-Tester in der Regel etwa 2 s, erhöht sich der Wert bei ca. 6 m auf 3 s und bei einer Länge von ca. 60 m auf ungefähr 11 s.

Wie wirkt sich die Erhöhung der Kapazität auf die Isolationsmessung aus?

Ein ca. 3 m langer Standard-Kupferdraht mit 22 Gauge Drahtdurchmesser (1 Gauge = 0,01 mil = 0,254 µm) hat einen idealen Widerstand von etwa 0,16 Ω. Für eine gute Signalübertragung gilt: Je niedriger der Widerstand, desto besser. Für die Drahtisolierung hingegen gilt das Gegenteil: Je höher der Widerstand, desto besser.

Messungen an modernen Isolierungen, deren Werte typischerweise 100 MΩ oder mehr bei einer Stärke von nur 25 mil (0,64 mm) betragen, stellen ganz andere Anforderungen an das Testequipment, als die Messung von Kupferleitungen. Während eine niedrige Spannung von +10 V (oder weniger) ausreichend Strom durch einen Kupferdraht fließen lässt, um sehr genaue Widerstandsmessungen durchzuführen, sind möglicherweise Hunderte oder Tausende Volt erforderlich, um hier einen messbaren Strom zu erhalten. Üblicherweise werden Testgeräte für diesen Einsatz als HiPot-Tester („High Potential“) bezeichnet, zum Beispiel das CableEye HVX-System. Die neuen HVX-Modelle des CableEye haben ein M3 oder M4 integriert und bieten damit deren Funktionen. Zur Bewertung der Isolation wird der Isolationswiderstand in Megaohm (106 Ω) oder Gigaohm (109 Ω) gemessen sowie der Ableitstrom durch die Isolierung in Mikroampere bei einer angegebenen Spannung. Zudem kann ein zusätzlicher Test sicherstellen, dass die Isolation bei einer angegebenen Spannung (die normalerweise höher ist als die zur Messung des Leckstroms), keinen dielektrischen Durchschlag erleidet. Ein dielektrischer Durchschlag tritt auf, wenn die Isolation (also das Dielektrikum) ionisiert wird. Dies geschieht typischerweise an einer Lochstelle in der Isolation. Es bildet sich ein leitender Durchgang mit niedrigem Widerstand durch den Isolator. Eine Isolation, die einen dielektrischen Durchschlag erleidet, durchläuft den Test natürlich nicht erfolgreich, denn das Kabel ist durch den kleinen, offenen „Tunnel“ in der Isolierung beschädigt und unbrauchbar.

Wie bei der oben beschriebenen Messung am Kupferdraht ist die Ausgangs-Idee auch hier wieder ein Hochspannungsimpuls mit dem Zusatz, dass nur der Leckstrom bei dieser Spannung gemessen werden muss. Schnell treten jedoch Probleme auf.

Aus Gründen der Bedienersicherheit von Hochspannungsprüfgeräten wird der maximal zulässige Ausgangsstrom auf 1,5 mA begrenzt. Tatsächlich wird in der Praxis sogar eine noch geringere maximale Grenze (auch „Auslösestrom“/„Trip Current“ genannt) bevorzugt. Warum? Wenn sich bei einer typischen Testspannung von 1000 V DC eine Lochstelle in der Isolation entwickelt, steigt der Strom schnell an die Auslösegrenze. Dadurch wird bei 1,5 mA unter Umständen eine Leistung von 1,5 W (1000 V * 0,0015 A) mit dem Timing eines Blitzschlags durch das Leck „gejagt“. Durch die Wärme, die sich während der Mikrosekunden einer Entladung entwickelt, könnte ein Loch in die Isolierung gebrannt werden oder Kupfer an den Oberflächen der Drähte verdampfen und das Kabel dauerhaft beschädigen.

Anpassung der Prüfspannung an Kagellänge

Abb. 4: Um die Prüfspannung zu erreichen, ohne vorher den Auslösestrom zu treffen, muss die Spannungsrampe entsprechend der Kabellänge angepasst werden

Es ist daher wünschenswert, den Auslösestrom niedrig zu halten. Dies führt jedoch zu einer weiteren Einschränkung aufgrund der Kabelkapazität. Der Strom I, der in das Kabel fließen muss, wenn die Prüfspannung V angelegt wird, ist eine Funktion der parasitären Kapazität des Kabels und der Änderungsrate der ansteigenden Spannung dV/dt:

I = C dV/dt

Je kürzer die Anstiegszeit der Spannung ist (großer dV/dt), desto größer ist der Einschaltstrom, der zum Aufladen der parasitären Kapazität des Kabels erforderlich ist. Ist der Anstieg zu schnell, überschreitet man den Auslösestrom, bevor die Prüfspannung erreicht wird, und das Testsystem schaltet die Spannung ab, bevor eine Leckage-Messung durchgeführt werden kann. Diese Situation ist nicht von einem echten Isolationsdurchschlag zu unterscheiden, bei dem ebenfalls der Auslösestrom überschritten wird.

Mit zunehmender Länge eines Kabels nimmt auch seine Kapazität zu, was die Anstiegszeit weiter begrenzt. Um also die Prüfspannung zu erreichen, ohne zuerst den Auslösestrom zu treffen, muss die Spannungsrampe entsprechend der Kabellänge sorgfältig angepasst werden. Je länger das Kabel ist, desto langsamer wird der Anstieg.

Der beim deutschen CAMI-Distributor Meilhaus Electronic erhältliche CableEye HVX-Tester verfügt über eine Rampe, die von 150 V/s bis 5000 V/s eingestellt werden kann. Bei Kabeln, die nicht länger als 3 m sind, und bei Spannungen von weniger als 1000 VDC, funktioniert die maximale Rampenrate gut. Das CableEye HVX-System wurde aber auch an einem Kabel über 2000 m mit einer Rampengeschwindigkeit von 150 V/s getestet. Interessanterweise trug der zunehmende Drahtwiderstand eines solchen langen Kabels dazu bei, den Ladestrom zu verlangsamen, erforderte jedoch auch eine Mindestverweildauer von 10 s, um sicherzustellen, dass die gesamte Kabellänge die Prüfspannung erreicht, bevor eine Leckage-Messung durchgeführt wird.

Isolationswiderstandsprüfung bei Kabeln mit Schirm

Bei einem mehradrigen Kabel legt ein linearer HiPot-Test nacheinander eine Hochspannung an jeweils eine einzelne Leitung an, wobei alle anderen Leiter auf Erdpotential liegen. Der Test durchläuft schrittweise Leiter für Leiter, legt die Spannung an und führt die Leckage-Messung durch. Dies maximiert die Wahrscheinlichkeit, einen Isolationsfehler an einer beliebigen Stelle im Kabel zu erkennen. Die dafür erforderliche Gesamttestzeit steigt direkt mit der Anzahl der Leiter (daher die Bezeichnung „linearer“ HiPot-Test). Bei den meisten derartigen Kabeln ist die Kapazität zwischen einem beliebigen Leiter unter Spannung und allen anderen Leitern auf Masse ungefähr gleich. Und wenn keine Isolationsfehler vorliegen, sollte auch der Isolationswiderstand für jeden Leiter ungefähr gleich sein.

Abb. 5: HiPot-Testergebnisse nach dem Programmieren des Testers, um die Abschirmung auf Massepotential zu halten

Wenn ein Schirm die Leiter umgibt und auch geprüft werden muss, kann die Schirmkapazität um einiges größer sein als die eines beliebigen Leiters. Der Stromfluss während des Hochlaufens der Rampe trifft typischerweise auf den Auslösestrom, bevor die Testspannung erreicht wird und fälschlicherweise einen Fehler in der Abschirmung anzeigt. Das Anlegen einer Spannung an die Abschirmung und Messen des Leckverlusts an der Gesamtheit aller anderen Leiter bringt nicht viel. Das System einfach so zu programmieren, dass die Abschirmung für die Dauer des Tests auf Massepotential bleibt, verringert das Problem. Bild 5 zeigt, wie der Leiter der Leitung 4 mit dem CableEye HVX-System vom HiPot-Test deaktiviert wurde.

Das Ziel ist es, eventuelle Lecks zwischen jedem Leiter und der Abschirmung zu finden. Solange der untersuchte Leiter bei einer hohen Spannung gegen eine geerdete Abschirmung gemessen wird, erreicht man dies also, ohne dass an die Abschirmung selbst eine Spannung angelegt werden muss.

Mögliche Gefahr beim Testen langer Kabel mit hoher Spannung

Aus Sicherheitsgründen beschränken die meisten HiPot-Testgeräte den maximalen Stromfluss, der von dem Gerät erzeugt wird, wenn sich während eines Tests ein Pfad/Durchschlag mit niedrigem Widerstand entwickelt. Sollte also ein Bediener während eines Hochspannungstests versehentlich in Kontakt mit offenen Pins geraten, reicht der Stromfluss eigentlich nicht aus, um ihn zu gefährden. Allerdings muss beim Testen langer Kabel auch die im Kabel gespeicherte Energie berücksichtigt werden:

1/2 CV2

Mit steigender Prüfspannung erhöht sich die gespeicherte Energie demnach mit dem Quadrat der Spannung. Ein Kabel, das zum Beispiel bei 1000 VDC getestet wird, speichert das 10.000-fache der Energie im Vergleich zu 10 VDC. Ein versehentlicher Kontakt mit einem offenen Stift am anderen Ende eines langen Kabels kann also durchaus, abhängig von den Bedingungen, eine beträchtliche Gefahr darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn eine Person in der Nähe nicht weiß, dass ein Hochspannungstest durchgeführt wird. Es muss daher bei solchen Tests darauf geachtet werden, dass die offenen Kabelenden vor Berührung gesichert und alle in der Nähe befindlichen Personen über die Testabläufe informiert werden.

Fazit

Die parasitären Kapazitäten in Kabeln, die länger als 3 m sind, erfordern eine Verlängerung der Messzeit, um verlässliche Angaben über die Isolationswiderstände zu erhalten. Der Einschaltstrom, der zu Beginn von Hochspannungs-Isolationsprüfungen auftritt, erfordert eine kontrollierte Rampen-Funktion, um ein Überschreiten einer maximalen sicheren Stromgrenze von 1,5 mA zu verhindern. Ein langsamer Spannungsanstieg zur Erfüllung dieser Anforderung kann die Testzeit erheblich verlängern.

Eine zuverlässige, die Abschirmung einschließende Isolationsprüfung kann nur nach dem Verfahren Draht-zu-Abschirmung erfolgen. Dabei muss eine Spannung von Draht-zu-Abschirmung unterbunden werden. Der Grund dafür sind die erhöhten Kapazität durch Kabel-Abschirmungen und die daraus resultierenden Schwierigkeit, die Prüfspannung an der Abschirmung aufgrund eines hohen anfänglichen Ladestroms zu erreichen.

Der Prüftechniker muss bei Hochspannungsprüfungen an langen Kabeln große Sorgfalt walten lassen, um einen elektrischen Schlag während des Prüfvorgangs zu vermeiden, da ein sehr gefährlicher Entladungsstrom auftreten kann, der den vom Kabeltester selbst erzeugten Strom weit übersteigen kann.

Um genaue, zeitnahe und sichere elektrische Messungen des Draht- und Isolationswiderstands in langen Kabeln sicherzustellen, müssen HiPot-Tester Steuerungen zur Einstellung der Anstiegsgeschwindigkeit und der Verweildauer bieten. Bestimmte Leiter wie die Abschirmung müssen selektiv vom Anlegen der Test-Hochspannung ausgeschlossen werden können.

Meilhaus Electronic GmbH, nach Unterlagen von CAMI Research/CableEye