Lass Dich nicht stören!

EMV-Konformitätsprüfung

Vorbereitende EMV-Konformitätsprüfung (EMC Pre-Compliance)

Bei der EMV (elektromagnetische Verträglichkeit) geht es um die Wechselwirkung von elektrischen Geräten mit ihrer Umgebung und mit anderen Geräten. Alle elektronischen Geräte können ungewollt elektrische und elektromagnetische Felder ausstrahlen oder aufnehmen und damit andere Geräte (und sich selbst) stören oder von ihnen gestört werden.

Neben dem technischen Aspekt spielen hier auch rechtliche bis hin zu gesundheitlichen Überlegungen eine Rolle. Der Gesetzgeber schreibt daher entsprechende Schutzmaßnahmen für elektrische Geräte vor, deren Grenzwerte und Prüfung in einschlägigen Normen (CISPR, IEC, EN) festgelegt sind. Die Konformitätsprüfung ist die letzte Stufe der Prüfung vor der Marktreife, die sicherstellt, dass elektronische Geräte die geforderten Bedingungen erfüllen. Diese Prüfungen werden von zertifizierten Prüfstellen durchgeführt. Dabei werden zwei Kategorien von Tests angewendet: Emissionsprüfungen (Ausstrahlung des geprüften Gerätes selbst) und Störfestigkeitsprüfungen (Empfindlichkeit des geprüften Gerätes gegen Störungen von innen und außen). Beide Kategorien umfassen sowohl gestrahlte (also über ein nicht-physikalisches Medium wie Luft übertragene) als auch leitungsgebundene Tests (über ein physikalisches Medium abgegeben, zum Beispiel Kabel). Elektrische Felder, elektromagnetische Felder, Übertragung über nicht-physikalisches Medium - das alles klingt sehr stark nach Hochfrequenz-Technik. Von der Messtechnik her, bei der Antennen, Spektrum-Analysatoren, HF-Signalgeneratoren etc. zum Einsatz kommen, ist es letztendlich auch HF-Technik. Die Thematik an sich betrifft jedoch nahezu die gesamte Elektronik-Entwicklung: EMV-Probleme treten oft in Geräten und Systemen auf, in denen einerseits empfindliche elektronische Komponenten und andererseits Leistungsbaugruppen mit starken Störemissionen nahe beieinander betrieben werden. Beispiele sind unter anderem leitungsgeführte und abgestrahlte Störungen von Stromversorgungen/Netzteile, die in den meisten elektronischen Geräten in der einen oder anderen Form anzutreffen sind. Ebenso betroffen ist aber zum Beispiel auch die Antriebstechnik mit allen Arten von Elektromotoren.

Konformitätsprüfung vs. Pre-Compliance

Produkt-Entwicklungszyklus mit EMV-Konformitätsprüfung

Bild 2: EMV-Pre-Compliance- und Konformitätstest im Produkt-Entwicklungszyklus

Die Konformitätsprüfung in zertifizierten Prüflabors ist meistens teuer und zeitlich sowie technisch aufwändig. Fällt der Prüfling durch, ist eine Überarbeitung oder gar Neuentwicklung des Designs sowie eine erneute Prüfung erforderlich. Dieses Vorgehen wiederholt sich, bis alle Prüfungen bestanden sind. Mit der kompletten Konformitätsprüfung bis zum Ende des Produktentwicklungszyklus zu warten ist daher riskant und kann teuer werden (Bild 2, "Kreislauf" rechts).

Pre-Compliance, also vorbereitende Konformitätstests in allen Phasen der Produktentwicklung, bieten eine risikoarme und kostengünstige Methode, um schon vorher weitgehend sicherzustellen, dass der Prüfling die endgültige Konformitätsprüfung besteht (Bild 2, "Kreislauf" links). Eine gewissenhafte Pre-Compliance-Prüfung kann also viel Geld sparen und Überraschungen bei der Konformitätsprüfung vermeiden. Worin besteht nun der Unterschied zwischen Pre-Compliance und der finalen, zertifizierten Konformitätsprüfung? Warum ist Pre-Compliance weniger teuer? Der Hauptunterschied zwischen Pre-Compliance- und zertifizierter Konformitätsprüfungen liegt in der Durchführung im eigenen Labor unter Verwendung günstigerer Messgeräte sowie einfacherer Messbedingungen. Im Gegensatz dazu stehen in zertifizierten Prüflabors die zu bezahlenden Labor- und Techniker-Zeiten, die durch die Normen vorgeschriebenen Formalitäten, oft teuren Messgeräte sowie Messvorrichtungen und Räumlichkeiten wie zum Beispiel Absorberkammern.

Der Prüfling stört: Emissionsprüfung

Emissionen sind die von einem Gerät (im Falle der EMV ungewollt) abgegebene elektromagnetischen Wellen, also Störaussendungen. Sie können gestrahlt oder leitungsgebunden sein. Bei der Emissionsprüfung wird die Menge an elektromagnetischer Energie gemessen, die andere Geräte in der Nähe stören könnte. Die Stärke der vom Prüfling über die Luft ausgestrahlten elektromagnetischen Energie wird quantitativ bestimmt um sicherzustellen, dass die Emissionen die entsprechenden Normen einhalten. Diese Normen sind länderabhängig und abhängig von der Produkt-Klassifizierung, zum Beispiel Kommunikation, Automotive, Haushalt, Industrie.

Signal-Anaysator in der EMV-Konformitätsprüfung

Bild 3: Die für eine Emissionsprüfung erforderliche Ausrüstung umfasst vereinfacht einen Signal-Analysator mit Pre-Compliance-Software, eine auf einem Stativ montierte Antenne und den Prüfling.

Als Ausrüstung für eine gestrahlte Pre-Compliance-Emissionsprüfung werden ein Signal-Analysator (Spektrum-Analysator) mit Pre-Compliance-Software und eine Antenne verwendet. Die kalibrierte EMI-Antenne wird optimalerweise auf ein Stativ montiert und in 1 bis 3 m Entfernung vom Prüfling aufgestellt. Zusätzlich kommt ein Vorverstärker zum Einsatz. Wichtig ist, dass während der Prüfung keine TV-, Rundfunk- oder Mobiltelefon-Übertragungen etc. mit dem Prüfling oder den Antennen interagieren und die Messung verfälschen. Wenn keine Absorberkammer zur Verfügung steht, empfiehlt sich zum Beispiel ein größerer, leerer, "funkfreier" Raum, Parkplatz o. ä. Zudem sind einfachere Abschirm-Lösungen erhältlich, wie zum Beispiel Abschirmzelte und Taschen.

Leitungsgebundene Emissionen breiten sich entlang der Signal-, Daten- oder Stromkabel aus dem Prüfling heraus aus. Sie gelangen über Kopplungspfade vom Prüfling direkt in andere elektronische Geräte und können sich zudem im Gerät selbst ausbreiten und seine Leistung negativ beeinflussen. Für die Prüfung leitungsgebundener Emissionen kommt ebenfalls ein Spektrum-Analysator mit EMV-Pre-Compliance-Messsoftware zum Einsatz, zudem eine LISN (Leitungsimpedanz-Stabilisierungsnetzwerk) und Begrenzer/Limiter. Die Aufgabe der LISN ist es, die "saubere" Versorgungsspannung für den Prüfling zuzuführen. Sie entkoppelt dabei das Versorgungsnetz und den Prüfling, inklusive der vom Prüfling auf das Versorgungsnetz eingekoppelten, leitungsgebundenen Störungen. Sie sorgt zudem für eine definierte Impedanz für die Spannungsversorgung des Prüflings. Je nach Anwendungsbereich beschreiben die Standards nach CISPR, IEC und EN verschiedene Methoden und Grenzwerte sowie damit verbundene Messaufbauten.

LISN in der EMV-Konformitätsprüfung

Bild 4: Beispiel für eine LISN von TekBox.

Der Prüfling wird gestört: Prüfung der Störfestigkeit

Bei der Störfestigkeit eines Prüflings unterscheidet man zwischen der Eigen- und der Fremdstörfestigkeit. Die Eigenstörfestigkeit beschreibt interne Beeinflussungen, also wenn sich benachbarte Schaltungsteile innerhalb des Prüflings stören. Für die Eigenstörfestigkeit gibt es keine gesetzlichen Grenzwerte.

Die Prüfung der Fremdstörfestigkeit ermittelt anhand verschiedener, zu definierender Parameter, wie empfindlich ein Prüfling gegen die von anderen Geräten in der Umgebung ausgestrahlte elektromagnetische Energie ist. Untersucht wird also, wie gut und unbeeinflusst ein Gerät ohne Fehlfunktion oder gar Ausfall arbeiten kann, wenn es einer gezielten Störung von außen ausgesetzt wird. Solche externen Störungen können auf einer Vielzahl von physikalischen Phänomenen beruhen. So kann zum Beispiel untersucht werden, ob der Prüfling durch elektromagnetische Felder beeinflusst wird. Eine Antenne simuliert dabei andere Geräte, die eine Störung verursachen könnten.

Je nach Prüfung werden dafür zum Beispiel ein Signalgenerator, ein Satz Nahfeldsonden und ein Signal-Analysator eingesetzt. Analog zur leitungsgebundenen Emissionsprüfung bewertet die leitungsgebundene Störfestigkeitsprüfung die Anfälligkeit des Prüflings (inklusive Kabeln) für Störungen von anderen Geräten über Kabel und Leitungen.

Die CISPR-Normen schreiben keine Störfestigkeitsprüfungen vor, sie werden aber dringend empfohlen.

Zusammenfassung

Ein Prüfling, der während seines gesamten Entwicklungszyklus mit vorbereitenden Konformitätsprüfungen getestet wurde, hat gute Chancen, die finale, zertifizierte Konformitätsprüfung gleich oder zumindest schneller zu bestehen. Dabei betrifft die EMV-Problematik praktisch jeden Entwickler im Elektronikbereich. Die für Pre-Compliance-Verfahren benötigten Gerätschaften sind heute relativ günstig verfügbar. Insbesondere, wenn man die Mehrkosten durch den wiederholten Gang zum zertifizierten Prüflabor gegenrechnet.

Nach Informationen von Keysight und TekBox

Glossar - Einige wichtige Begriffe der EMV

  • EMV - elektromagnetische Verträglichkeit (englisch: EMC - Electromagnetic Compatibility).
  • EMI - elektromagnetische Interferenz/Störung, Funkstörung.
  • Emission - Aussendung (im Falle der EMV ungewollter) elektromagnetischer Wellen, Störaussendung. Getestet mit der Emissionsprüfung.
  • Immission - Aufnahme von (im Falle der EMV ungewollten) elektromagnetischen Wellen/Störungen. Empfindlichkeit eines elektronischen Gerätes gegen Störungen, die unerwünschte Reaktionen auslösen, wenn es elektromagnetischer Energie ausgesetzt wird. Getestet mit der Störfestigkeitsprüfung.
  • Abgestrahlte Störung - Störung über ein nicht-physikalisches Medium, Funkstörungen, unerwünschten Signalen über die Luft.
  • Leitungsgebundene Störung - Störung durch leitungsgebundenes Funkrauschen oder unerwünschte Signale, die durch direkte Kopplung (über Kabel, Leitungen) in einen Wandler/Empfänger gelangen.
  • CISPR (Comité international spécial des perturbations radioélectriques, Internationales Sonderkomitee für Funkstörungen), legt Normen zur Überwachung elektromagnetischer Störungen in elektrischen und elektronischen Geräten fest. Die Normen sind länderabhängig und abhängig von der Produkt-Klassifizierung, zum Beispiel Kommunikation, Automotive, Haushalt, Industrie.
  • LISN (Line Impedance Stabilization Networks, Leitungsimpedanz-Stabilisierungsnetze) - isoliert das Stromnetz vom Prüfling, damit dieser ein möglichst sauberes Signal erhält.
  • Absorberkammer - ein abgeschirmter, reflexionsarmer Raum, der Schall oder elektromagnetische Wellen absorbiert und Reflexionen von allen Innenflächen verringert. Er schafft eine möglichst perfekte, störungsfreie Umgebung für den Test.
  • Strahlung - Emission von Energie in Form von elektromagnetischen Wellen.
  • Immunität - Fähigkeit eines elektrischen Gerätes, eine Funkstörung abzuweisen; Störsicherheit.

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